Leseprobe “Verborgene Tränen”

„Dieser elende Mistkerl! Dieser Schuft! Oh, wie kann ein Mensch nur so widerwärtig sein?“

Amelie schritt kochend vor Zorn in ihrem Gemach auf und ab und feuerte ihren Hut auf den Boden. Am liebsten würde sie schreien vor Wut auf ihren vermaledeiten Esel von einem Mann. Sie riss das Fenster auf, um frische Luft hereinzulassen, da sie fürchtete, an ihren überbrodelnden Gefühlen zu ersticken. Warum hatte sie der überheblichen Lady Rochester nicht einfach die Handtasche um den Kopf geschlagen? Warum hatte sie diesen Unsinn erzählt? Es freute sie kein bisschen, die Bekanntschaft dieses ehrlosen Frauenzimmers gemacht zu haben! Und ganz sicher würde sie ihr niemals danken, Deans Verlangen zu befriedigen! Nein, wenn es nach ihr ginge, dann würde Lady Rochester in die Themse fallen und bis in die Nordsee gespült werden.

Wie konnte Dean es wagen, sich nur wenige Wochen nach der Hochzeit wieder mit seiner Mätresse einzulassen?

„Adrian würde mich nie so scheußlich behandeln!“

Amelie war so wütend, dass sie das leise Klopfen an ihrer Tür nicht bemerkte.

„Oh Adrian, du weißt nicht, wie sehr ich dich vermisse!“, rief sie und schlug sich die Hände vors Gesicht, um ihre Tränen zu verbergen, als zwei starke Hände sie an den Schultern packten und herumdrehten.

Erschrocken blickte sie in die eisgrauen Augen ihres Ehemannes, und sein schmerzhafter Griff ließ sie aufschreien.

„Was fällt dir ein?“, brüllte er, und es schien, als kühle sich der Raum merklich ab. „Hältst du mich für einfältig? Unser Ehebett als leidige Pflicht verunglimpfen und dabei den Namen eines anderen Mannes im Munde zu führen?“

Er stieß Amelie rückwärts auf das Bett und baute sich bedrohlich vor ihr auf. „Wenn du glaubst, Weib, du kannst mir Hörner aufsetzen, dann irrst du!“

Der Schreck trieb Amelies Puls in die Höhe und weckte ihren Kampfgeist. Schnell rollte sie sich auf die andere Seite und sprang aus dem Bett. Sie raffte fluchtbereit ihre Röcke, denn in Deans Blick stand Mordlust. Aber Amelie hatte nicht vor, sich kampflos zu ergeben. Schließlich war er das Scheusal.

„Pah! Ihr braucht gerade etwas sagen. Euer Bett ist doch noch nicht einmal kalt! Und … wenn ich Euch daran erinnern darf, die Frau, mit der Ihr es Euch gewärmt habt, war nicht die Eure!“

Amelie wich weiter zurück, als Deans Kiefermuskeln zuckten.

„Schweig, Weib! Das geht dich nichts an! Du hast mich in die Falle gelockt und nun gefällt dir nicht, was du dir eingefangen hast? Aber du wirst lernen, damit zu leben! Und du wirst außerdem lernen, dass ich nicht davor zurückschrecken werde, dich zu bestrafen, sollte ich dich in der Nähe eines anderen Mannes finden.“

Der Paravent in ihrem Rücken verhinderte eine weitere Flucht. Amelie sah sich nach einer Waffe um, und riss den Kerzenhalter an sich, als Dean ihr über die Matratze nachfolgte.

„Ihr seid von Sinnen!“, rief sie, als er immer näherkam. „Was sollte es Euch interessieren, was ich tue? Ihr liebt mich nicht. Ihr liebt niemanden. Darum habe ich Euch erwählt!“

„Was soll der Unsinn? Was weißt du schon über mich?“

Er hatte sie erreicht und ihr mit einer einzigen Bewegung den Kerzenständer entwendet. Krachend fiel das kupferne Stück zu Boden, und Amelie war zwischen dem Paravent und Deans unnachgiebiger Brust gefangen.

„Die Windham-Männer lieben nicht, das weiß doch jeder“, flüsterte sie und fragte sich, ob das Zittern in ihren Gliedern der Furcht zuzuschreiben war oder der Erinnerung an das letzte Mal, als sie ihm so nahe gewesen war.

„Wie konnte ich das nur vergessen? Die allseits bekannten Legenden um meine Familie.“

Er umfasste ihre Taille und zog sie an seine Brust.

„Im Allgemeinen sehr hilfreich, um naive Mädchen auf der Suche nach dem passenden Ehemann abzuschrecken. Darf ich also erfahren, warum mich gerade dies nach deiner Meinung als Heiratskandidaten qualifizierte?“

„Ich nahm an, dass ich Euch keine unsterbliche Liebe vorenthalte, wenn Ihr mich heiratet, weil Ihr zu derartigen Gefühlen ja nicht fähig seid“, stammelte Amelie. Sie hatte Mühe, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, als die von dunklen Bartschatten umgebenen Lippen vor sich.

Deans Hände hatten sich von ihrer Taille in Richtung ihrer Kehrseite verlagert und taten ihr Bestes, jeden klaren Gedanken im erregenden Feuer verglühen zu lassen.

„Und was …“, murmelte Dean, „… wenn ich mir immer eine Frau gewünscht habe, die verrucht und schamlos, willig und leidenschaftlich ist? Die mir von morgens bis abends Lust schenkt, wann immer ich dies wünsche? Denn was könnte ein Mann, der nicht liebt, schon anderes von seiner Gattin erwarten?“

Er zog sie an seinen Körper, ließ sie die pochende Männlichkeit unter seiner Kleidung fühlen und grub seine Hände in ihr Fleisch. Amelie fühlte sich, als hätte sie Fieber. Hitze wallte auf und breitete sich in Wellen in ihrem Körper aus.

„Sag mir, Amelie, wirst du mir etwa diese Frau sein?“, hauchte er gegen ihre Lippen, ehe er ihre Antwort mit seinem Kuss erstickte…

 

 

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